Tourismus: Fluch und Segen für Balis Meeresschildkröten

Alexander Zuzzi  Alexander Zuzzi ist der 
Gründer von WELTFREUND  

 

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Gegen Ende unserer Reise durch Indonesien landeten meine Schwester Laura und ich auf Bali. Die „Insel der Götter“ war für uns ein krasser Gegensatz zu den bisher erkundeten Inseln. Borneo, Java und Lombok waren vorwiegend muslimisch, Flores und das Hochland von Sulawesi eher christlich-animistisch. Zum bisher erlebten bot das hinduistische Bali ein buntes Kontrastprogramm. Die Insel versprühte Reize, die alle Sinne ansprachen. Die Düfte der Räucherstäbchen, die wunderschönen tropischen Blütenblätter, die als Opfergaben für die Götter omnipräsent waren, der sinnlich-scharfe Geschmack der balinesischen Küche, das mystisch-animistische der Barong-, Legong- und Kecak-Tänze und die satten Farben der grünen Reisterrassen, der weißen und schwarzen Strände und des tiefblauen Meeres.

Aber auch ein anderer Aspekt von Bali war gegensätzlich zum Rest von Indonesien – der Tourismus! Wir hatten auf der bisherigen Reise immer wieder mal „bule“ (Indonesisch für Fremde, speziell weißhäutige), wie uns getroffen. Doch im Großen und Ganzen war man auf Flores, in Tana Toraja oder in Ost-Java als Westler noch ein so seltener Anblick, dass sich Schüler und Pfadfinder anstellten, um Selfies mit den Aliens zu bekommen.

Gruppenfoto mit den beiden "bule" in Tana Toraja

Gruppenfoto mit den beiden "bule" in Tana Toraja

Bali ist in dieser Hinsicht nicht mehr so jungfräulich, es lebt vom Tourismus und das merkt man mit dem ersten Schritt den man auf balinesischen Boden setzt. Horden von australischen Surfern, die Balis perfekte Wellen reiten möchten, Horden von amerikanischen Hausfrauen mittleren Alters, die auf den Spuren von Elisabeth Gilberts „Eat, Pray, Love“ wandern und Horden von Balinesen, die die vorigen Horden zu schnellen Rupiah machen wollen.


Plastik in den Meeren

So gut die Besucher für die Einheimischen in ökonomischer Hinsicht seien mögen, so schlecht sind sie es in ökologischer. Die Touristen und die Tourismusindustrie produzieren täglich Tonnen von Müll, der auf einer Insel mit mangelhafter Müllentsorgung unweigerlich im Meer landet und sich zum restlichen Plastikmüll den die Menschheit hervorbringt und der die Ozeane verseucht gesellt. Als wir an einem Abend in Kuta Beach, der Touristenhochburg schlechthin, vom Strand ins Meer wateten wurde uns das Ausmaß der Verschmutzung drastisch vor Augen geführt. Ich konnte kaum einen Schritt machen, ohne dass sich Plastiksäcke und andere Folien um meine Beine wickelten. Plastikflaschen, -becher und andere Verpackung wurde vom Meer zurück auf die Insel gespuckt. Ein bescheidener Versuch der Natur sich dem Müll, der unenthaltsam weiter in ihre Meere gepumpt wird, zu entledigen.

Plastikmüll: Bei manchen Strömungslagen ein gewohnter Anblick im Meer vor Bali

Plastikmüll: Bei manchen Strömungslagen ein gewohnter Anblick im Meer vor Bali


Einige Touristen, auch wir, haben angeschwemmten Plastikmüll gesammelt und dafür gesorgt, dass der Kunststoff sachgemäß entsorgt wird. Leider ist dies ein Kampf gegen Windmühlen, der von vielen Strandbesuchern müde belächelt wird. Nur mit Aufklärung über Maßnahmen zur Müllvermeidung, Wiederverwendung und Recycling kann das Problem langfristig gelöst werden. Auch Projekte, wie The Ocean Cleanup, die nach Wegen suchen das bereits ins Meer gelangte Plastik zu entfernen und zu recyceln, geben Hoffnung.
 
Für Meeresbewohner ist das Plastik eine große Bedrohung, so auch für Meeresschildkröten, die im Ozean treibende Plastiktüten, gerne mit Quallen einer ihrer Leibspeisen verwechseln. Die Tiere fressen den Kunststoff und können daran ersticken oder verhungern, weil ihr Magendarmtrakt durch den Plastikmüll verstopft wird. Auch verschmutzte Strände sind eine Gefahr für die Tiere, da frisch geschlüpfte Schildkröten durch den Müll und andere menschliche Hindernisse, wie Strandliegen die Orientierung verlieren und es nicht ins rettende Meer schaffen.

Mageninhalt einer verendeten Meeresschildkröte bestehend aus Plastik (c)  OCCUPYFORANIMALS

Mageninhalt einer verendeten Meeresschildkröte bestehend aus Plastik (c) OCCUPYFORANIMALS

Einbindung der Touristen in die Rettung der Meeresschildkröten

Ich habe auf Bali eine Organisation kennengelernt, die sich mit viel Herzblut darum bemüht, die von der Tourismusindustrie in ihren Nistplätzen beschnittenen Meeresreptilien zu schützen – die Bali Sea Turtel Society (BSTS). Laura und ich wurden am Kuta Beach auf eine riesige Meeresschildkrötenskulptur aufmerksam. Es stellte sich heraus, dass der Rückenpanzer der Skulptur oben offen war und sich im inneren Sand befindet in dem das Gelege von Oliven-Bastardschildkröten, die ihre Eier am Touristenstrand abgelegt haben, sicher und behutsam aufbewahrt werden, bis die kleinen Schlüpflinge sich den Weg durch die Eierschalen bahnen.

Die Brutstätte der Bali Sea Turtle Society hat die Form einer riesigen Meeresschildkröte

Die Brutstätte der Bali Sea Turtle Society hat die Form einer riesigen Meeresschildkröte


Jili, ein Mitarbeiter der BSTS, betreute das Gelege und erzählte uns begeistert von der Arbeit seiner Organisation. Die Bali Sea Turtle Society wurde 2001 von I Wayan Wiradnyana gegründet, den ganz Bali als Mr. Turtle kennt. Er war damals für die Sicherheit am Strand verantwortlich und stellte fest, dass am Strand von Kuta die Anzahl der Meeresschildkröten über die Jahre stark zurück ging. Das machte ihn sehr betroffen und er beschloss etwas gegen dieses Problem zu unternehmen.
 
Als Mr. Turtle 2001 die Arbeit für die Schildkröten aufnahm brütete nur noch eine einzige Schildkröte am Strand von Kuta. Durch den Einsatz von ihm und anderen Helfern kamen jedes Jahr mehr Schildkröten zurück zur Niststätte. 2013 konnten, laut Jili, bereits 297 Muttertiere und 32.000 Eier gezählt werden.
 
Die Organisation klärt die lokale Bevölkerung über den verwundbaren Status der Meeresschildkröten auf und versucht sie mit Erfolg davon zu überzeugen die Tiere nicht zu töten, zu verkaufen oder zu verspeisen. Außerdem versucht Mr. Turtle Einheimische und Touristen in seine Artenschutzbemühungen einzubinden, indem sie bei der Freilassung der Schlüpflinge ins Meer mithelfen können. Diese Bemühungen sind ein so großer Erfolg, dass manche Gäste extra wegen der Auswilderung in den Monaten Juni bis September nach Kuta kommen. Besonders für Kinder ist die Auswilderung der kleinen Schildkröten ein unvergessliches Erlebnis. Die Kinder dürfen die Baby-Schildkröten in kleinen Behältern vorbei an den Hindernissen des Touristenstrandes tragen und dann behutsam am Strand absetzen, wo die Schlüpflinge dann die letzten Meter in ihre neue Heimat, das Meer selbst und gefahrlos zurücklegen. Doch im Meer lauern viele Gefahren auf die Kleinen, neben dem Plastik sind es vor allem Fressfeinde, die die Population stark dezimieren. So erreicht nur eine von 1000 ausgewilderten Babyschildkröten das Erwachsenenalter. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist die Aufklärungsarbeit und der Artenschutz durch die Bali Sea Turtle Society und ähnliche Organisationen so wichtig. 

Touristen werden in die Artenschutzbemühungen eingebunden (c) BSTS

Touristen werden in die Artenschutzbemühungen eingebunden (c) BSTS

Jili schenkte mir zum Abschluss noch eine kleine Schildkröte, die er aus Muscheln hergestellt hatte und mich noch heute an Bali und seine Meeresschildkröten erinnert. Natürlich haben wir Jili gleich eine Spende für die Rettung der Meeresschildkröten überreicht. Er war überglücklich und hat uns angeboten, uns eine kleine Insel zu zeigen, wo man immer wieder Meeresschildkröten zu Gesicht bekommt. Leider konnten wir das Angebot nicht annehmen, da wir weiter nach Gili Air mussten, wo unser Tauchkurs auf uns wartete.

Die kleine Muschelschildkröte erinnert mich an Bali und seine Schildkröten

Die kleine Muschelschildkröte erinnert mich an Bali und seine Schildkröten

Abtauchen ins Reich der Meeresschildkröten

Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon damit abgefunden, auf unserer Reise keine Meeresschildkröte mehr in natura zu Gesicht zu bekommen. Doch wir sollten uns irren. Es war unser zweiter Tauchgang überhaupt. Wir tauchten als blutige Anfänger mit unserem Tauchlehrer Robb zum Halik Riff vor Gili Trawangan ab und da waren sie! Eine ganze Gruppe Grüner Meeresschildkröten (auch unter dem weniger schmeichelhaften Namen Suppenschildkröten bekannt, weil sie fast bis zur Ausrottung gejagt wurde, um als „Delikatesse“ zu enden) ruhte friedlich am Rande des Riffs. Die über einen Meter langen Tiere strahlten eine majestätische Gelassenheit aus und ließen sich von uns Tauchern nicht in ihrem Schläfchen am Meeresgrund stören. Eine der Schildkröten hatte sogar einen Gast mit an Board, einen Schiffshalterfisch, der sich mit seiner Saugplatte an ihrem Panzer festgeheftet hatte. 

Eine Grüne Meeresschildkröte ruht am Riff

Eine Grüne Meeresschildkröte ruht am Riff

Als ich über eine der Schildkröten hinwegschwebte konnte ich auch die Zeichnung des Panzers genau erkennen und war von den Mustern fasziniert. Es wirkte als hätte ein Kaligraph feinste Linien, die wunderbare geometrische Zeichnungen ergaben, auf den Rücken des Tieres gemalt. Plötzlich streckte eine der anderen Schildkröten ihre Vorderflossen aus und begann grazil in Richtung Oberfläche zu schweben, um nach Luft zu schnappen. Ich werde nie den Anblick dieses friedlichen Tieres vergessen, wie es trotz seiner Körpermasse leicht wie eine Feder mit ruhigen rudernden Bewegungen zur Oberfläche gleitet.
 
In diesem Moment weiß ich die unermüdliche Arbeit zur Rettung dieser sanften Meeresbewohner von Mr. Turtle und seinen Helfern umso mehr zu schätzen. Nur wenn wir zum Schutz der Schildkröten beitragen, ist gewährleistet, dass auch kommende Generationen diese Wunder der Natur, die schon zur Zeiten der Dinosaurier unsere Weltmeere bevölkerten, in der Natur und nicht im Museum bewundern können.

Hilf mit deinem Handgelenk

Mit WELTFREUND-Armbändern kannst du zur Rettung der Meeresschildkröten beitragen und auch die Entwicklung einer Technologie zur Säuberung der Meere von Plastikmüll unterstützen.

Hier die Links zu den entsprechenden WELTFREUND-Armbändern:

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